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Also war sie durch den Schleier zwischen den
Welten getreten. Sie hatte von den mutigen,
starken Nachkommen ihres Volkes gehört,
die auf dieser Seite um ihre Freiheit käm-
pften. Sie hatte sie beobachtet, Männer mit
breiten Schultern, Oberarmen so dick wie
Baumstämme. Mit unbändiger Kraft und un-
erschütterlichem Willen kämpften sie für
ihre Familien, gegen die, die sie für Wilde
hielten, weil sie ein anderes Leben führten.
Die, die in ihnen Wilde gesehen hatten, zo-
gen jetzt nach ihrem Sieg durch die High-
lands und mordeten und vergewaltigten, was
ihren Weg kreuzte. Ein verabscheuungswür-
diges Tun, für das Danu kein Verständnis
aufbringen konnte. Doch ihr waren die
Hände gebunden, wenn sie ihr eigenes Volk
nicht verraten wollte, durfte sie nicht
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eingreifen. Sie konnte nur mit sich nehmen,
was nicht bemerkt werden würde.
Ein leises Stöhnen riss Danu aus ihren
Gedanken. Ein Krieger in den rotgrünen
Clansfarben der MacLeans lag zu ihren
Füßen. Blut sickerte aus seinen Mund-
winkeln und aus einer tödlichen Wunde in
seinem Unterleib. Er würde nicht mehr lange
leben. Danu kniete sich neben ihn in das
blutige, niedergetrampelte Heidekraut. Sanft
strich sie ihm die dunklen, verdreckten
Haare aus dem Gesicht. Mit dem Saum ihres
weißen Kleides wischte sie ihm Blut und
Dreck aus dem Gesicht. Er öffnete die Lider
und sah sie aus stumpfen Augen an. Ein
Lächeln umspielte seine Lippen. Danu war
sich sicher, er würde sie für einen Traum
halten. Vielleicht einen Geist, der gekommen
war, ihn in sein nächstes Leben zu begleiten.
Sie kannte den Mann, er war der Clanführer
der MacLeans. Ein unerschrockener Krieger,
stark und mutig. Ein Krieger, wie sie ihn
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brauchte. Sie legte eine Hand auf seine breite
Brust. Sein Plaid fühlte sich klamm und
klebrig vom Blut an, das durch den Stoff
sickerte. Sein Herz schlug nur noch schwach.
Sie musste sich beeilen. Mit den Fingern
strich sie ihm über die bärtige Wange. Sein
Blick flatterte, dann sah er zu ihr auf. Sie
hoffte, dass er sie verstehen würde. Dass sein
Verstand noch soweit funktionierte, dass er
erfasste, was sie von ihm wollte.
»Cailean Maclean, ich bin Danu, die Mutter
deines Volkes. Herrin über das magische
Volk Tuatha Dé Danann. »Ich möchte dir das
Leben anbieten.« Danu hielt ihren Blick auf
Cailean gerichtet. Sie wollte jede noch so
kleine Reaktion in seinem Gesicht deuten
können. Sie befürchtete, dass er vielleicht
schon zu schwach war, ihr zu antworten.
Aber sie wollte ihn nicht unfreiwillig zum
Krieger des Feen-Volkes machen. Sie wollte,
dass er selbst entscheiden konnte. Seine
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Lippen bewegten sich leicht, als wolle er et-
was sagen.
»Du musst dich nicht anstrengen. Sage mir
nur, weißt du wer ich bin?«, fragte sie sanft
aber mit fester Stimme. Sie war sich nicht
sicher, ob die Menschen dieser Zeit über-
haupt noch wussten, wer ihre Vorfahren
waren und wohin sie gegangen sind. Sie
hatte gehört, dass einige sie für Mythen hiel-
ten. Aber ob es Menschen gab, die an die Ex-
istenz des magischen Volkes glaubten, das
wusste sie nicht. Wenn sie nicht an sie
glauben konnten, würde das ihre Arbeit er-
schweren. Doch Cailean nickte. Eine
schwache Bewegung seines Kopfes. Hätte
Danu nicht ihre Hand an seiner Wange ge-
habt, hätte sie es nicht gespürt. Danu
schluckte angespannt. Sie hoffte, sie kam
nicht zu spät.
»Das Volk der Sidhe braucht Krieger wie
dich. Ich biete dir ewiges Leben, wenn du im
Gegenzug für uns kämpfst«, beeilte sie sich
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zu sagen. Sie konnte keine Rücksicht neh-
men. Konnte nicht riskieren, noch weitere
wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Schon
jetzt war zweifelhaft, ob sie ihn noch retten
konnte. Aber sie musste auf die Kraft der
heiligen Quelle vertrauen, die durch ihren
Körper strömte.
Caileans Augen weiteten sich für einen kur-
zen Moment, dann schlossen sich seine
Lider. Seine Brust senkte sich und sein Kopf
fiel kraftlos zur Seite. Danu erschrak und
musste die Tränen, die sich einen Weg aus
ihren Augen suchten, zurückhalten. Jetzt
war nicht die Zeit, um zu trauern. Sie hatte
eine Aufgabe. Hier kam sie zu spät, dachte
Danu und bedauerte, ihn nicht einfach ohne
seine Erlaubnis nach Anwynn mitgenommen
zu haben. Sie hatte gewusst, dass nicht mehr
viel Zeit blieb. Aber es war besser, ihm sein-
en freien Willen zu lassen. Alles andere wäre
gegen das gegangen, wofür das Volk Dé
Danann stand. Eine Träne rollte über Danus
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Wange. Sie wollte sich gerade erheben, als
Caileans Brust sich unter ihren Fingern zit-
ternd hob. Erleichtert atmete sie auf. Fast
hätte sie ihn aufgegeben, dabei flackerte
noch eine winzige Lebensflamme im Körper
des Kriegers.
»Sag ja«, flüsterte sie flehend an seinem
Ohr. »Du musst nicht sterben.«
»Deagh-bheusan tha mo onair«, antwortete
Cailean tonlos, aber Danu hatte es von sein-
en Lippen gelesen. Tugend ist meine Ehre,
das Motto der MacLeans.
Schnell ritzte Danu sich mit ihrem Sgian
Dubh, dem Strumpfmesser, ihr Handgelenk
auf und drückte die blutende Wunde auf
Caileans Mund. »Drink mein Sohn. Die Ma-
gie der heiligen Quelle in meinem Blut wird
dich genesen lassen.«
Cailean schlug die Augen auf. Erst hatte
Danu entsetzen in seinem Blick befürchtet,
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